Rolf Kretzer — Chef über 21 Weiher und einen Badminton-Club

Fast 30 Jahre lang kümmerte sich Rolf Kretzer als Wasserbau-Verantwortlicher um die Bäche und Weiher der Stadt. Er ist der erste und einzige, der diesen Posten bisher innehatte. Jetzt geht er in Pension.

Wind und Wet­ter kön­nen Rolf Kret­zer nichts anhab­en, als er zu einem sein­er Lieblingsplätze auf Drei Weieren auf­bricht. Mit Schir­m­mütze und oranger Leucht­jacke stapft er am Milch­hüs­li vor­bei und steigt die Treppe zum Panora­maweg hoch, wo ihm die Stadt zu Füssen liegen würde – wenn man sie denn sähe. An diesem Tag herrscht Schneegestöber, die Wolken hän­gen tief, die Stadt präsen­tiert sich in Wat­te gehüllt. Der Bodensee lässt sich in der Ferne erah­nen. Doch Kret­zers Begeis­terung tut dies keinen Abbruch. Er wis­cht mit der Hand den Schnee von der Panora­matafel und zeigt, welche Aus­sicht sich bei besserem Wet­ter bieten würde. «Es ist jedes Mal umw­er­fend», sagt er. «Mit Gästen gehe ich immer hier hin.»

Ein bekennender Weieren-Fan

Kret­zer macht kein Geheim­nis daraus: Er hält St. Gallen für einen der schön­sten Fleck­en auf Erden. Und er ist ein beken­nen­der Weieren-Fan – und zwar nicht nur in sein­er Funk­tion als Co-Autor des St. Galler Wei­her­buchs und als Wasser­bau-Experte der Stadt, als der er Ende Dezem­ber in Pen­sion geht. Der 63-Jährige ist ober­halb des Man­nen­weiers aufgewach­sen und hat bis vor vier Jahren dort gewohnt. Er beze­ich­net sich sel­ber gerne als «Ur-St. Geör­gler», der einiges wisse über das Geschehen im Quarti­er. Er erin­nert sich, wie er hier als Kind mit «anderen Laus­buben» viel Seich gemacht habe. So sei er zum Beispiel auf den gefrore­nen Wei­her gegan­gen, habe die Ober­fläche des Eis­es mit Wass­er bespritzt und die Eis­decke sel­ber gemessen. Wenn nicht ein See­bub, dann ist er doch zumin­d­est ein Weieren-Bub. Das passt zu sein­er späteren beru­flichen Auf­gabe als städtis­ch­er Wasser­bau-Ver­ant­wortlich­er.

Doch vor­erst arbeit­ete der gel­ernte Tief­bauze­ich­n­er bei der Stadt im Strasse­nun­ter­halt. Vor 38 Jahren – im Dezem­ber 1979 – wurde er eingestellt. Zehn Jahre lang war mit Besen, Schaufel und Salz auf den Strassen unter­wegs, bis ihn der dama­lige Stadtin­ge­nieur für die neu geschaf­fene Stelle des Wasser­bau-Ver­ant­wortlichen anfragte. Kret­zer sagte zu. Er ist der erste und einzige, der den Posten bish­er innehat­te. «Ich bin damals ins kalte Wass­er gewor­fen wor­den», sagt er im Rück­blick. Bis heute wird er darauf ange­sprochen, was er denn in ein­er Stadt «ohne Seeanstoss und ohne gross­es Gewäss­er» über­haupt zu tun habe. Kret­zer hat dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Immer­hin gibt es auf Stadt­bo­den nicht weniger als 21 Wei­her.

Ein «sehr schwieriges Unterfangen»

Seine Auf­gabe war es, die Wei­her zu sanieren und die Bäche zu rena­turi­eren und zu öff­nen. Beson­ders let­zteres lag ihm am Herzen, er stiess dabei aber an Gren­zen. Die Offen­le­gung der Bäche sei ein «sehr schwieriges Unter­fan­gen» gewe­sen – vor allem, wenn es darum ging, zusät­zlichen Raumbe­darf für sie gel­tend zu machen. Nicht alle Liegen­schafts­be­sitzer hät­ten einen Sinn darin gese­hen. Noch heute ist er ent­täuscht, dass es nicht gelun­gen ist, einen Teil des Steinach-Wassers hin­ter dem Kloster­vier­tel an die Ober­fläche zu holen.

Als Erfolg beze­ich­net Kret­zer dage­gen die Offen­le­gung des Bachs im Philosophen­tal. Er habe viele pos­i­tive Rück­mel­dun­gen von Spaziergängern erhal­ten. «Hier ist ein Erhol­ungswert ent­standen, der sich nicht mit einem Geld­be­trag bez­if­fern lässt», ist er überzeugt.

Badminton-Trainer und Rotkreuz-Fahrer

Kret­zer ist ein­er, der sich mit sein­er Mei­n­ung nicht zurück­hält. Über sich selb­st sagt er, er sei ein Typ, der direkt und manch­mal etwas vor­witzig sei. Nun mache er sich Gedanken, wie er kün­ftig seinen Tag gestalte. Ab dem neuen Jahr werde mehr Zeit für seine Fam­i­lie und seine drei Grosskinder haben. Zudem hat Kret­zer bere­its einige fixe Engage­ments. Bis im Som­mer arbeit­et er mit einem Mini-Pen­sum im Tief­baubamt weit­er, um sein let­ztes Pro­jekt, den Hochwasser­schutz beim Rüti­weier, abzuschliessen. Ein­mal im Monat leis­tet er frei­willi­gen Fahr­di­enst beim Roten Kreuz. Und ein­mal in der Woche trainiert er die Junioren der St. Galler Bad­minton Bären. Den Club hat er vor rund 20 Jahren mit­be­grün­det. Sowieso wolle er sportlich bleiben, sagt Kret­zer. Dreimal wöchentlich jog­gt er über Drei Weieren – bei Wind und Wet­ter – und blickt von seinem Lieblingsplatz auf die Stadt hin­unter.

 

Artikel der Zeitung Tag­blatt geschrieben von Christi­na Wed­er

Quelle: http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stadt/chef-ueber-21-weiher;art507690,5174135